Das Konsumverhalten von Jugendlichen - Ein Interview
7 Fragen an die Expertin Anika Kopp
Psychologin am Institut für Jugendforschung in München
In welchem Alter beginnt die Erziehung zum Konsumenten?
Sehr, sehr früh. Wenn ein Baby die Welt um sich herum wahrnimmt, fängt es
irgendwann an, Dinge haben zu wollen. Die Werbung sagt Kleinkindern beispielsweise:
Bunt ist lecker. Später, wenn Kinder vergleichen gelernt haben, verstehen sie auch
Werbebotschaften, die sagen, was größer oder toller ist. Typische Produkte
für Kinder sind Süßigkeiten und Spielwaren. Später dann Erfrischungsgetränke,
Kleidung und Elektronikspielwaren.
Woran orientieren sich Kinder in ihrem Konsumverhalten?
Konsum wird zunächst vorgelebt von Eltern und Geschwistern. Der Umgang der Eltern
mit Markenprodukten prägt die Kinder. Sie bekommen es sehr schnell mit, wenn
Eltern versuchen, ihr eigenes Sozialprestige zu steigern, indem sie ihre Kinder in
Markenkleidung stecken. Später kommt in der Schule der Einfluss des Freundeskreises
dazu. Die Werbung sagt, mit welchen Produkten man dazugehört.
Warum sind Jugendliche eine begehrte Zielgruppe?
Das ist ein riesiger Markt. Allein die Sechs- bis Zwölfjährigen in Deutschland
verfügen im Jahr über 1,8 Milliarden Euro, bei den 13- bis 25-Järigen
sind es sogar 60 Milliarden Euro. Das ist frei verfügbares Geld, das noch nicht
wie bei Erwachsenen in irgendeiner Form gebunden ist. Zudem sind Jugendliche
experimentierfreudig in ihrem Einkaufsverhalten. Sie sind noch nicht an eine Marke
gebunden, sondern probieren auch andere Marken aus.
Begehren die Jugendlichen denn nicht mehr gegen die Werte der Eltern auf - und sei es
gegen zu viel Markenbewusstsein?
Jugendrebellion fällt schwer gegen Eltern, die selbst gepierct und tätowiert sind.
Die Eltern wollen selbst jugendlich sein, sie werden von ihren Kindern als Partner, aber
nicht mehr als Autoritätspersonen wahrgenommen. Eine Abgrenzung fällt schwer
gegen Eltern, die für alles Verständnis haben.
Damit steigt doch auch der Einfluss der Kinder auf ihre Eltern?
Ja. Bei Kaufentscheidungen haben Kinder eine Menge mitzureden. Das geht bis hin zum
Autokauf. Wenn Eltern, die selbst sehr viel Wert darauf legen, jugendlich zu wirken,
von ihren Kindern hören "Opel ist out", dann werden sie wohl ein anderes Auto kaufen.
Der Einfluss der Kinder beginnt doch schon bei der leidigen "Quengelware" an der Supermarktkasse...
Im Nahrungsmittelbereich setzen zwei Drittel der Kinder ihre Wünsche durch. Beim
Schulbedarf sind es sogar drei Viertel. Es gibt drei Stufen, wie Kinder auf ihre Eltern
Einfluss nehmen: Wenn die ganz Kleinen etwas haben wollen, fangen sie an zu betteln, oder
sie werfen sich auf den Boden und schreien. Ältere Kinder, versuchen an die Eltern
zu appellieren. Sie suchen Argumente, warum ein bestimmtes Produkt beispielsweise
gut für die Schule ist. Sind sie dann noch älter, fangen die Tauschgeschäfte
mit Gegenleistungen an: "Wenn ich das kriege, räume ich dreimal mein Zimmer auf."
Welche Chancen haben Eltern, sich dem zu entziehen?
Ich bin keine Erziehungsberaterin. Wichtig ist, die Kinder zu mündigen Konsumenten
zu erziehen.Ihnen nicht alles zu geben, aber auch nicht alles zu verbieten. Die Eltern
müssen einen Mittelweg finden. Sie sollten ihren Kindern beibringen, dass einkaufen
Geld kostet. Und dann gibt es ja noch das Taschengeld.
aus: Schaumburger Nachrichten vom 31.08.2002