Deutschlandweit fließen Jahr für Jahr weit mehr als 30 Milliarden Euro in die Werbung.
Bei den Unternehmen sitzt das Geld aber längst nicht mehr so locker wie noch vor zwei Jahren.
So hat die Deutsche Telekom nach Angaben der Nielsen-Werbeforschung ihren Werbeetat
im vergangenen Jahr um 59 Prozent auf 105 Millionen Euro gekürzt. VW strich den
Posten um 23 Prozent auf 137 Millionen Euro zusammen. Bundesweit achrumpften die Etats
um gut sechs Prozent.
Der Markenartikler Unilever (Langnese, Lätta, Livio) gehört zu den wenigen, die
für Werbung mehr Geld ausgeben. Immerhin um fünf Prozent steigerte der Konzern
seinen Etat auf 190 Millionen Euro.
Ausgelöst von der Werbeflaute des vergangenen Jahres wird in der Branche diskutiert, ob
die "klassische Werbung" mit Fernsehspots und Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften ihren
Zenit überschritten hat. Einige meinen, anderen Formen der Marktkommunikation - wie
beispielsweise Sponsoring, Verkaufsförderung, Eventmarketing oder Telefonwerbung - gehören
die Zukunft. Schon jetzt würden diese Instrumente verstärkt eingesetzt,
während die klassische Werbung an Bedeutung verliere.
Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) in Bonn hält dagegen, dass
die Zeitspanne zwischen dem Boomjahr 2000 und dem Stagnationsjahr 2002 zu kurz sei, um
eine Abkehr von der klassischen Werbung belegen zu können. "Die Langzeitanalyse
zeigt ein kontinuierliches Wachstum der massenmedialen klassischen Werbung seit Gründung
der Bundesrepublik", sagt ZAW-Geschäftsführer Nickel. Als Ausnahme stünden
nur die Stagnationsjahre 1968 und 1974, die Rezession 1970 sowie die gegenwärtigen
Flauten 2001/02 da.
Dass der Trend zum Wachstum klassischer Werbung generell abbreche, sei eher unwahrscheinlich,
sagt Nickel. Der deutsche Markt gelte in Europa als der bedeutendste. Entsprechend intensiv
sei hier zu Lande der werbende Wettbewerb mit Hilfe massenmedialer Werbeträger. "Das
wirkt stabilisierend auf die Werbewirtschaft." Nickel räumt aber ein, dass der
Zuwachs an Investitionen in Werbung in den kommenden Jahren kleiner ausfallen werde.
Die Werbeausgaben hätten schon ein hohes Niveau erreicht. Entsprechend geringer
fielen künftig die Umsatzzuwächse der Werbeträger aus.
Von einem Ende der Werbung kann keine Rede sein. Mediale Werbung für Massenprodukte
sei in der Regel preiswerter als die Ansprache vieler kleiner Gruppen mit individuellen
Kommunikationsmitteln, erläutert Nickel. Selbst das neue Medium Internet sei auf
herkömmliche Werbung wie Anzeigen, Spots, Plakate angewiesen.
Der ZAW warnt deshalb Unternehmen, ihre Werbeetats nur als Kostengröße zu behandeln
und nicht als Investitionen in Bestand und Zukunft von Marktanteilen. "Kontinuität
in der Werbung auch in Zeiten von Wirtschaftsflauten ist ein nachweisbares Erfolgsprinzip",
sagt Nickel.
Unternehmer, die jetzt ihre Werbeinvestitionen gegen den Trend konstant hielten oder
gar aufstockten, könnten ihre Marke sogar stärken und ihre Position am
Markt festigen. "Im leiseren Markt bekommt jede einzelne Stimme mehr Gewicht."
aus: Schaumburger Nachrichten vom 31.08.2002